Psychologische Fachberatungsstelle
bei sexualisierter Gewalt

Information

Was versteht man unter sexuellem Missbrauch bzw. sexualisierter Gewalt?

Sexueller Missbrauch

Unter sexuellem Missbrauch wird in der Öffentlichkeit sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche verstanden, während der Gesetzgeber alle Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit dem Begriff „sexueller Missbrauch“ bezeichnet.

Kompass Kirchheim beruft sich in Bezug auf Missbrauch von Kindern auf folgende Definition: „Sexueller Missbrauch ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter oder die Täterin nutzt seine Macht- und Autoritätsposition aus, um seine eigenen ihre eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.“
(Bange, Dirk / Deegener, Günther, Sexueller Missbrauch an Kindern. Ausmaß, Hintergründe, Folgen; Weinheim 1996, S.105).

Bei Jugendlichen ist zunächst grundsätzlich davon auszugehen, dass sie über die physischen, sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten verfügen, die erforderlich sind, um die Tragweite sexueller Handlungen zu erfassen. Vor diesem Hintergrund sind sie in der Lage, für sich abzuwägen, inwieweit sie sich auf freiwillige sexuelle Handlungen und Beziehungen einlassen. Gleichwohl gibt es auch Jugendliche, die sexualisierter Gewalt oder Nötigung durch andere Jugendliche oder Erwachsene ausgesetzt sind.

Bei den Formen sexuellen Missbrauchs wird zwischen Hands-off-Taten und Hands-on-Taten unterschieden.

Hands-off-Taten:

  • verletzende oder obszöne Redensarten
  • sexuellen Handlungen zusehen zu müssen
  • Vorführen pornografischen Bildmaterials
  • sexualisierte Gewalt im Kontext sozialer Medien
  • Exhibitionismus
    Dabei handelt es sich um eine sexuelle Neigung, bei der die betreffende Person es als lustvoll erlebt, sich von anderen Personen nackt oder bei sexuellen Aktivitäten beobachten zu lassen.

Hands-on-Taten:

  • sexuelle Stimulation durch Berührungen
  • Herstellung pornographischen Bildmaterials mit Kindern und Jugendlichen
  • orale, anale und vaginale Vergewaltigung
  • Anleitung zur Prostitution

Sexualisierte Gewalt

In Fachkreisen hat sich der Begriff sexualisierte Gewalt durchgesetzt, weil dieser stärker den Aspekt der Gewalt und der Ausübung von Macht auf dem Gebiet der Sexualität berücksichtigt.

Unter sexualisierter Gewalt versteht man jedes Verhalten, das die sexuelle Selbstbestimmung eines Menschen missachtet, die Bindungsfähigkeit gefährdet und das positive Erleben von Sexualität beeinträchtigt.

Zu den verschiedenen Formen sexualisierter Gewalt gehören unter anderem:

  • Sexuelle Belästigung
    Unter sexueller Belästigung versteht man sexualisierte Bemerkungen und Handlungen, die unerwünscht sind beziehungsweise durch die sich eine Person unwohl und in ihrer Würde verletzt fühlt.
  • Exhibitionismus
    Exhibitionismus ist eine sexuelle Neigung, bei der eine Person es als lustvoll erlebt, sich von anderen Personen nackt oder bei sexuellen Aktivitäten beobachten zu lassen.
  • Voyeurismus
    Voyeurismus ist eine sexuelle Neigung, bei der sich eine Person dadurch sexuell stimuliert, indem sie heimlich unwissende, sich entkleidende bzw. nackte Personen oder deren sexuelle Handlungen beobachtet.
  • Vergewaltigung
    Von Vergewaltigung spricht man, wenn eine Person eine andere gegen ihren Willen unter Anwendung von Gewalt, durch Drohungen oder unter Ausnutzung einer hilflosen Lage, zum Vollzug des Beischlafs nötigt beziehungsweise andere sexuelle Handlungen vornimmt oder von Betroffenen an sich vornehmen lässt, die mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind.

Wer kann von sexualisierter Gewalt betroffen sein?

Unabhängig von Geschlecht und Alter können alle Menschen von sexualisierter Gewalt betroffen sein. Es gibt besonders gefährdete Personengruppen wie beispielsweise Kinder, Menschen mit physischer, kognitiver oder psychischer Beeinträchtigung und ältere Menschen.


Warum fällt es schwer, das Geschehen als sexualisierte Gewalt zu identifizieren und anzuerkennen?

Die Fähigkeit, sexualisierte Gewalt als solche wahrzunehmen und zu identifizieren, hängt unter anderem davon ab, ob Menschen in ihrer Kindheit darin unterstützt wurden, ihre Bedürfnisse und Gefühle wahrzunehmen und darüber zu sprechen.

Mit der Erfahrung sexualisierter Gewalt geht ein tiefgreifender Verlust des Vertrauens in menschliche Beziehungen und die Beschädigung der eigenen Integrität einher. Die daraus resultierende Belastung ist seelisch nur schwer zu verkraften. Um das seelische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, wird das Ereignis oftmals unbewusst bagatellisiert, geleugnet oder verdrängt.


Wie wirkt sich sexualisierte Gewalt aus?

Das Erleben sexualisierter Gewalt ist ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Integrität eines Menschen und löst in vielen Fällen eine Traumatisierung aus. Viele Lebensbereiche wie die Gestaltung des Alltags, der sozialen Kontakte und die Ausübung des Berufs sind dadurch beeinträchtigt. Sexualisierte Gewalt führt bei den Betroffenen häufig zu Ohnmacht, Hilflosigkeit, Selbstabwertung sowie Scham- und Schuldgefühlen. Darüber hinaus können sich Beschwerden und Krankheiten wie Schlafstörungen, Essstörungen, Suchterkrankungen, Depressionen und Ängste, aber auch posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln. Kinder und Jugendliche reagieren auf sexualisierte Gewalt häufig mit Verhaltensveränderungen wie Rückzug oder Aggressivität, Phobien und psychosomatischen Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen.


Was kann ich nach einem sexuellen Übergriff tun?

Medizinische Versorgung und Spurensicherung in Anspruch nehmen:
Unabhängig von der sofortigen Erstattung einer Anzeige sollte nach einem aktuellen Übergriff eine ärztliche Versorgung und Spurensicherung erfolgen. Für Betroffene aus dem Landkreis Esslingen wurde eine entsprechende anzeigeunabhängige Spurensicherung eingerichtet.


Entstandene Verletzungen werden behandelt und dokumentiert sowie Fragen hinsichtlich möglicher Infektionskrankheiten oder einer Schwangerschaft geklärt. Die Untersuchung dient gleichzeitig der Sicherung von Beweismitteln, die im Falle einer Anzeige für die Überführung von Beschuldigten von Bedeutung sein können.

Beratungsmöglichkeiten nutzen
Als spezialisierte Fachberatungsstelle bietet Kompass Kirchheim Unterstützung für alle Betroffenen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Wesentliche Themen sind der Schutz vor weiteren Übergriffen, die seelische Stabilisierung der Betroffenen und die Klärung der Frage, ob Anzeige erstattet werden soll.


Soll ich Anzeige erstatten?

Der Gesetzgeber hat ein Ruhen der Verjährung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres vorgesehen, um Kindern und jungen Erwachsenen die Möglichkeit zu geben, auch zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige zu erstatten.

Maßgeblich für die Entscheidung über die Erstattung einer Anzeige sollte der Wille und die aktuelle Lebenssituation der Betroffenen sein. Es ist sinnvoll, einen diesbezüglichen Entschluss ohne Zeitdruck zu treffen.

Im Beratungsprozess wird die Entscheidungsfindung mithilfe folgender Fragen unterstützt:

  • Wie ist die körperliche und seelische Verfassung der Betroffenen?
  • Fühlen sich Betroffene einem möglicherweise länger währenden Ermittlungs- und Prozessverfahren gewachsen?
  • Erfahren die Betroffenen hinsichtlich ihrer Entscheidung Unterstützung in ihrem sozialen Umfeld?
  • Welche Wünsche und Erwartungen verbinden die Betroffenen mit einer möglichen Anzeigeerstattung und dem Ausgang des Verfahrens?

Ergänzend zur Erörterung oben genannter Fragestellungen ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung sinnvoll, um im Rahmen einer rechtlichen Einschätzung den möglichen Ausgang eines entsprechenden Verfahrens bewerten zu lassen.


Wer übt sexualisierte Gewalt aus?

Die Ausübung sexualisierter Gewalt ist unabhängig von Alter oder Geschlechtszugehörigkeit, von Beruf oder sozioökonomischem Status. Menschen, die sexualisierte Gewalt ausüben, finden sich in allen Berufsfeldern und sozialen Schichten.


Wie geht die Beratungsstelle vor, wenn sie Kenntnis davon erlangt, dass ein Kind sexualisierte Gewalt erlebt?

Wenn ein Kind von sexualisierter Gewalt betroffen ist, wird dadurch seine seelische und körperliche Entwicklung gefährdet. Die Beratungsstelle muss bei einer vorliegenden Kindeswohlgefährdung mit den Ratsuchenden gemeinsam geeignete Maßnahmen festlegen, die den Schutz des Kindes gewährleisten. Es ist ihre Aufgabe, die Umsetzung dieser Schutzmaßnahmen sicherzustellen. Wenn die Beratungsstelle feststellt, dass die erforderlichen Schutzmaßnahmen von den Ratsuchenden nicht umgesetzt werden, ist sie verpflichtet, den zuständigen Sozialen Dienst (Jugendamt) über diese Kindeswohlgefährdung zu informieren:


In diesem Fall ist die Schweigepflicht aufgehoben. Vor diesem Schritt versucht die Beratungsstelle nochmals die Kooperationsbereitschaft der Ratsuchenden zu erwirken. Gelingt dies erneut nicht, werden die Ratsuchenden über die Kontaktaufnahme mit dem Sozialen Dienst informiert.


Wie kann eine Kontaktaufnahme mit Kompass Kirchheim erfolgen?

Die Beratungsstelle ist per Telefon, Email oder postalisch zu erreichen. Die Anmeldung kann auch anonym erfolgen. Nach der internen Fallverteilung im Team übernimmt die zuständige Beraterin zeitnah die Terminierung des Erstgesprächs. Unabhängig von der Dauer des Beratungsprozesses ist unser Angebot kostenfrei.



Wir sind Mitglied bei:


Mitglied bei Der Paritätische und DGfPI

Wir werden gefördert durch:


Förderung durch Das Ministerium für Soziales und Integration Baden Württemberg